Unter einer Meningitis versteht man allgemein eine durch verschiedene Erreger, vor allem Bakterien aber auch Viren, Pilze oder Parasiten, verursachte Entzündung der weichen Häute des Gehirns und des Rückenmarks.
Allgemeines
Im folgenden wird nur die bakterielle Meningitis abgehandelt. Der durch Viren hervorgerufenen Meningitis (FSME) ist ein eigenes Kapitel gewidmet.
Eine Meningitis stellt immer einen Notfall in Diagnostik und Therapie dar. Wenige Stunden können das Schicksal des Kranken entscheiden. In Abhängigkeit vom jeweiligen Erreger kann die Meningitis akut, chronisch oder auch rezidivierend, d.h. wiederholt, auftreten. Die "klassische" Meningitis ist eine akute bakterielle Entzündung, die typischerweise im Kleinkind- bis Jugendalter auftritt. Sie soll im folgenden im Vordergrund stehen.
Die erste Meningitis-Epidemie, damals aufgrund des vorherrschenden Symptoms als Genickstarre-Epidemie bezeichnet, wurde im Frühjahr 1805 in Genf beobachtet. Während des 19. und 20. Jahrhunderts folgten in Europa und den USA mehrere Ausbrüche der Erkrankung und zwar bevorzugt bei Kindern und Militärpersonal in Kasernen. Die größte, auf eine einzelne Stadt begrenzte Meningitisepidemie, war die Epidemie mit Meningkokokken 1974/75 in Sao Paulo in Brasilien. Damals traten zwischen 350 und 500 Erkrankungen auf 100 000 Einwohner auf.
Zum Vergleich: in Deutschland beträgt die Erkrankungshäufigkeit der Meningokokkenmeningitis etwa 1:100 000. Etwa fünf bis zehn Prozent der Bevölkerung tragen ohne Symptome den Erreger im Nasen und Rachenraum. Aus unbekannten Gründen entwickelt nur ein kleiner Teil dieser infizierten Personen Krankheitserscheinungen.
Anatomie
Das Zentralnervensystem (ZNS), bestehend aus dem Gehirn und dem Rückenmark, ist durch Knochen gegenüber äußeren Einflüssen geschützt: das Gehirn durch den Schädelknochen, das Rückenmark durch die Wirbelsäule. Zwischen den Knochen und dem ZNS befinden sich zusätzliche Schutzhüllen aus Bindegewebe, die im Bereich des Gehirns als Gehirn- bzw. Hirnhäute und im Bereich des Rückenmarks als Rückenmarkshäute bezeichnet werden. Man unterscheidet zwischen der dem Knochen anliegenden äußeren harten Hirnhaut = Dura mater und der innen gelegenen weichen Hirnhaut = Leptomeninx. Die weiche Hirnhaut besteht aus zwei miteinander verbundenen Anteilen, der Spinnwebhaut = Arachnoidea und der unmittelbar dem ZNS anliegenden Pia mater. Wie diese Bezeichnung, die aus dem Lateinischen wörtlich übersetzt fromme Mutter bedeutet, zustande kam, ist unbekannt. Die Arachnoidea besteht aus gefäßlosem Bindegewebe und steht über Bindegewebsfasern mit der gefäßreichen und daher gur durchbluteten Pia mater in Verbindung. Zwischen Arachnoidea und Pia mater befindet sich der Subarachnoidalraum, der mit der Hirnflüssigkeit = Liquor cerebrospinalis gefüllt ist.
Erreger
Die häufigsten Erreger der "klassischen", bakteriellen Meningitis sind Meningokokken, Pneumokokken und Haemophilus influenzae. Diese Keime werden durch Tröpfcheninfektion, z.B. Niesen oder Husten, von Mensch zu Mensch übertragen. Sie verursachen in der Mehrzahl der Fälle eine unkomplizierte, harmlose Entzündung der oberen Luftwege.
Nachdem die Impfung gegen H. influenzae in Deutschland erfolgreich eingeführt wurde, sind Meningokokken die mit Abstand häufigsten Erreger eitriger Hirnhautentzündungen und für knapp die Hälfte aller erfassten Fälle verantwortlich. Meningokokken sind von einer Kapsel umhüllt, die die antigenen Eigenschaften der einzelnen Erreger bestimmt. Dementsprechend werden verschiedene Serogruppen unterschieden, die wichtigsten sind A, B, C, W, X, Y und Z. Innerhalb der Serogruppen gibt es wiederum Untergruppen, die Serotypen, z.B. Serotyp 2 der Serogruppe A. Für Epidemien typisch sind die Serogruppen A und C, wogegen die Serogruppe B bisher zwar zu einzelnen Erkrankungsfällen geführt hat aber keine Epidemien verursacht hat. Probleme aus den verschiedenen Serogruppen ergeben sich insbesondere für eine effektive Impfprophylaxe.
Übertragungswege
Die Erreger werden durch Tröpfcheninfektion übertragen
Ursache
Meningokokken, Pneumokokken und Haemophilus influenzae sind die klassischen Erreger der Meningitis. Sie verursachen über eine zyklische Infektionskrankheit eine Meningitis. Dies bedeutet, dass es, unter noch nicht vollständig geklärten Bedingungen, von einem Herd, wo diese Keime bei vielen Menschen symptomlos vorkommen z.B. dem Nasen-Rachen-Raum, zu einer Aussaat der Erreger mit dem Blut kommt. Im Rahmen dieser Erregeraussaat kann die Infektion an verschiedenen Organen Entzündungen hervorrufen, so z.B. an den Hirnhäuten. Diese Form der zyklischen Infektionskrankheit ist mit periodisch auftretenden immunologischen Vorgängen, insbesondere der Bildung von Antikörpern, verbunden. Diese können sowohl die Ausbildung einer Meningitis verhindern als auch die ausgebrochene Erkrankung überwinden. Auch bevor es Antibiotika gab, konnte eine Meningitis in über 30% der Fälle überlebt werden. Allerdings waren häufig schwere Defekte, wie geistige Behinderungen oder Lähmungen, die Folge. Antikörper gegen Meningokokken, Pneumokokken und Haemophilus influenzae können bei Schwangeren über die Plazenta auf ihr Kind übertragen werden und schützen die Neugeborenen daher in den ersten Lebensmonaten vor einer Infektion.
Eine weitere Möglichkeit der Entstehung einer Meningitis besteht in einer sogenannten septisch-metastatischen Absiedlung. Hierbei kommt es von einem mit speziellen Erregern infizierten Entzündungsherd, z.B. bei Neugeborenen der Nabel oder bei Erwachsenen die Herzklappen, zur Sepsis mit Absiedlung dieser Erreger in den Hirnhäuten. Da hier keine Immunität entwickelt wird, sterben diese Patienten ohne Behandlung. Die Erreger dieser Meningitisformen sind Bakterien aus dem Magen-Darm-Trakt.
Schließlich muss auch die fortgeleitete Meningitis erwähnt werden. Hierzu gehören Entzündungen bei unfallbedingten Schädelfrakturen oder nach operativen Eingriffen an Gehirn und Rückenmark. Eine Menigitis kann auch als Komplikation einer Nasennebenhöhlenentzündung oder einer Mittelohrentzündung entstehen, wenn die Entzündung über den Knochen, als Osteomyelitis, auf die Hirnhaut übergreift. Diese Meningitis wird oft durch Staphylokokken verursacht.
Häufigkeit
Die bakterielle Meningitis ist in erster Linie eine Erkrankung von Kleinkindern und Jugendlichen, deren Häufigkeit entscheidend von der Bevölkerungsstruktur abhängt. In den Industrienationen ist sie relativ selten geworden, wohingegen sie in den meist kinderreichen Armenpopulationen in den Gebieten der nichtindustrialisierten Staaten zu den häufigen Erkrankungen gehört. Allerdings herrschen auch in den Industrienationen große Unterschiede, z.B. erkranken in Berlin türkische Kinder bis zu siebenmal häufiger an einer Meningitis als deutsche Kinder.
Insgesamt erkrankten nach Angaben des Robert Koch Instituts im Jahre 2000 in Deutschland 757 Menschen, von denen 49 verstarben.
Hirnhautentzündungen durch Meningo- und Pneumokokken sowie duch Haemophilus influenzea machen ca. 30% aller Erkrankungen von Säuglingen nach dem 1. Lebensmonat aus und in der Gruppe der bis zu 15jährigen Jugendlichen sogar bis zu 70%. Dabei wird die Haemophilus-Meningitis bei erfolgreicher Impfung jenseits des 7. Lebensjahres allerdings selten angetroffen.
Bei jüngeren Erwachsenen ist eine Meningitis selten. Nach dem 50. Lebensjahr nimmt die Häufigkeit allerdings wieder zu, wobei die Erreger dann denen der Neugeborenen-Meningitis, also Bakterien aus dem Magen-Darm-Trakt, gleichen.
Symptome
Je nach Ursache bzw. Erreger können der Meningitis verschiedene Symptome vorangehen. Der Beginn der Meningitis ist durch hohes Fieber und zunehmende, bald unerträgliche Kopfschmerzen gekennzeichnet. Es kommt zu einer ausgeprägten Unruhe bis hin zur Bettflucht. Häufig wird die Umgebung nicht erkannt. Die Patienten sind benommen, erbrechen und werden bewusstlos. Außerdem können Krampfanfälle auftreten.
Davon abweichend sind die Symptome bei Säuglingen und bei alten Menschen. Säuglinge und Kleinkinder sind meist trinkfaul, schläfrig und apatisch. Sie erscheinen "schlecht gelaunt". Bei alten Menschen besteht die Gefahr, eine Meningitis als Schlaganfall oder einen fieberhaften Verwirrtheitszustand misszudeuten.
Diagnose
Erste Hinweise ergeben sich aus der Befragung, d.h. der Anamnese, des Patienten bzw. der Angehörigen. Die körperliche Untersuchung kann auf folgende Weise eine Reizung der Hirnhäute nach:
Wenn der Arzt den Kopf des liegenden Patienten von der Unterlage, z.B. dem Kissen. abhebt und dieser Bewegung ein schmerzbedingter Widerstand entgegengesetzt wird, spricht man von Nackensteifigkeit = Meningismus. Zieht der liegende Patient dabei die Beine an, d.h. beugt er die ausgestreckten Beine im Hüft- und Kniegelenk, ist das Brudzinski-Zeichen positiv. Wenn ein sitzender Patient das Knie nicht gerade strecken kann, ist das Kernig-Zeichen positiv.
Zur sicheren Diagnosestellung muß bereits bei dem kleinsten Verdacht auf eine Meningitis eine Liquorpunktion erfolgen. Dazu wird der Subarachnoidalraum mit einer speziellen Punktionsnadel punktiert. Die Punktion erfolgt vorzugsweise als Lumbalpunktion am sitzenden oder liegenden Patienten zwischen dem 4. und 5. bzw. 3. und 4. Lendenwirbelkörper nachdem man mit einem örtlichen Betäubungsmittel die Haut betäubt hat. Entsprechend der Befunde im Liquor bezüglich der Erreger, der Zellzahl, des Eiweiß- und Zuckergehaltes ergibt sich die Diagnose.
Bei dem Verdacht bzw dem Auftreten von Komplikationen kommen bildgebende Verfahren, wie z.B. die Computer- oder Magnetresonanztomographie zum Einsatz.
Komplikationen
Zu den Komplikationen der Meningitis gehören die Menigoenzephalitis, d.h. ein Übergreifen der Entzündung auf das Gehirn, sowie die Meningoenzephalomyelitis, also ein Übergreifen der Entzündung auf das Rückenmark, in deren Folge es zu bleibenden neurologischen Schäden, z.B. Lähmungen oder Gehörverlust, und psychischen Schäden, z.B. geistiger Behinderung oder Verhaltensauffälligkeiten, kommen kann. Weitere Komplikationen sind die Entstehung eines Hirnabszesses, d.h. einer Eiteransammlung in einer entzündlich entstandenen Höhle, die Störung der Liquorzirkulation durch die Verklebung der Arachnoidea mit der Pia mater sowie eine Thrombose der Venen = Sinusvenenthrombose.
Therapie
Die Therapie einer Meningitis muss sofort und ohne Verzögerung einsetzen. Idealerweise erfolgt sie nach dem Erregernachweis gezielt intravenös mit dem bestwirksamen Antibiotikum. Für Infektionen mit Meningo- und Pneumokokken ist immer noch Penicillin G das Mittel der Wahl, gegen Haemophilus influenzae verwendet man dagegen Cefotaxim.
Die Initialtherapie, also die unmittelbar nach einer Verdachtsdiagnose einsetzende Therapie, besteht bei einem Verdacht auf eine durch Meningo- und Pneumokokken bzw. Haemophilus influenzae ausgelöste Meningitis vorzugsweise in der Gabe des fast immer wirksamen Ceftriaxons, mit dem hohe Liquorkonzentrationen erreicht werden können. Anschließend wird die Therapie nach Anzüchtung und Resistenztestung der Erreger als gezielte Chemotherapie fortgesetzt.
Meningokokken-Meningitis
In diesem Fall wird Penicillin G in hoher Dosierung (Erwachsene 20 Mill. Einheiten, Kinder 0,5 Mill. Einheiten pro Kg Körpergewicht), verteilt auf 6-8 stündige i.v. Kurzinfusionen, bis zum Eintritt der Besserung gegeben. Anschließend wird noch mindestens 10 Tage mit reduzierter Dosis weiter therapiert. Bei Penicillin-Allergie oder-Resistenz können Cefotaxim oder Ceftriaxon, aber auch Chloramphenicol verwendet werden.
Pneumokokken-Meningitis
Hier erfolgt die Therapie ebenfalls mit Penicillin G in hoher Dosierung, allerdings ohne eine Reduktion der Dosis über den gesamten Zeitraum von 10-14 Tagen. Bei Penicilin-Allergie können auch hier Cefotaxim oder Ceftriaxon verwendet werden.
Haemophilus-influenzae-Meningitis
Die Therapie sollte mit Cefotaxim oder Ceftriaxon erfolgen, da gegen Ampicillin und Chloramphenicol heute teilweise Resistenzen bekannt sind. Die zusätzliche Gabe von Dexamethason bei Kindern kann die Häufigkeit von bleibenden Hörschäden vermindern.
Prophylaxe
Impfung gegen Haemophilus influenzae
Die Impfung gegen Haemophilus inluenzae wird von der STIKO für alle Säuglinge und Kleinkinder empfohlenen. STIKO ist die Abkürzung für die ständigen Impfkommision, ein unabhängiges Gremium, das vom Rudolph-Koch-Institut in Berlin berufen wird und bundesweit anerkannt wird. Durch diese Impfung wird ein mehrere Jahre andauernder Schutz von ca. 90% erreicht. Auffrischimpfungen im Schulalter sind nicht notwendig, da die Häufigkeit schwerer Haemophilus-influenzae-Erkrankungen einschließlich Meningitis nach dem 7. Lebensjahr gering sind.
Impfung gegen Meningokokken
Das Problem bei der Meningokokkenmeningitis besteht in der Vielfalt der Serogruppen und Serotypen. Seit ca. 20 Jahren stehen Impfstoffe gegen die Serogruppen A und C zur Verfügung. Leider verschwinden die durch die Impfung entstandenen schützenden Antikörper innerhalb von Monaten bis wenigen Jahren wieder. Der Impferfolg ist daher leider nur gering. Hinzu kommt, dass die Antikörperbildung gerade in der am meisten gefährdeten Gruppe, nämlich den Kindern, die jünger als 2 Jahre sind und in dürftigen sozialen Verhältnissen leben, am schlechtesten ist. Andererseits ist die Antikörperproduktion in der Bevölkerungsgruppe am besten, die am wenigsten gefährdet ist: junge, gesunde Erwachsene. Ein genereller Einsatz einer Impfung gegen Meningikokken kann im Gegensatz zur Impfung gegen Haemophilus influenzae nicht empfohlen werden. Die Impfung gegen Meningikokken sollte auf die Bevölkerung in Ependemiegebieten und evtl. auf Reisende in diese Länder beschränkt sein. Sie kommt auch als prophylaktische Maßnahme für Risikogruppen in Betracht, wenn es zu einem Ausbruch zeitlich und örtlich zusammenhängerder Erkrankungsfälle kommt.
Impfung gegen Pneumokokken
Eine Impfung gegen Pneumokokken ist Personen besonders zu empfehen, bei denen die Milz entfernt werden mußte, z.B. wegen eines Unfalles oder wegen bestimmter Erkrankungen des Blutes. Besonders in den ersten 2 Jahren nach einer Milzentfernung sind diese Personen besonders gefährdet, an einer lebensbedohlich verlaufenden Pneumokokkeninfektion zu erkranken. Bei anderen gefährdeten Personen, wie z.B. Alkoholkranken und alten Menschen mit Leber-oder Nierenerkrankungen, kann eine Impfung gegen Pneumokokken ebenfalls sinnvoll sein.
Chemoprophylaxe
Darunter versteht man die prophylaktische Gabe von Antibiotika an Kontaktpersonen, wie z.B. an Familienangehörige oder medizinisches Personal. Diese Form der Prophylaxe hat sich bei der Meningitis jedoch nicht bewährt, wird allerdings eher aus psychologischen Gründen gelegentlich noch angewendet.
Prognose
Die Prognose der Meningitis ist von mehreren Faktoren abhängig. Dazu zählen sowohl die Art der Erreger, als auch die Situation des Kranken, wie z.B. Lebensalter oder Ernährungszustand. Die Meningokokken-Meningitis hat unter optimalen Bedingungen mit einer Letalität von 5% die beste Prognose. Demgegenüber hat die Meningitis bei Neugeborenen und alten Menschen mit einer Letalität von bis zu 70% die schlechteste Prognose.
Rechtliches
Die durch Meningokokken ausgelöste Meningitis ist nach dem Infektionsschutzgesetz vom 1. Januar 2001 meldepflichtig.